Wie wird in Organisationen über das Gehalt entschiedenen, in denen es keine (klare) Hierarchie gibt? Wie wird in einem Start-Up das Gehalt verhandelt, in dem sich jeder persönlich kennt? Wie wird das Gehalt bestimmt, wenn es nicht mehr um Stunden am Arbeitsplatz, sondern um Beiträge zu einem Projekt geht? Und was können Konzerne davon lernen? Inzwischen lassen sich eine ganze Reihe verschiedener Gehaltsmodelle ausmachen, die sich deutlich von den üblichen - an Stundenlohn und Hierarchie-Position orientierten - Formen unterscheiden. Das heißt nicht, dass die Entscheidung damit leichter würde.
Morning Star ist der größte Tomatenmark-Produzent der USA. Die Mitarbeiter treffen ein Mal im Jahr zusammen, um miteinander ihre Verantwortlichkeiten gegeneinander in Verträgen festzuhalten - denn Manager gibt es nicht. Auch die Gehaltserhöhungen legen sie selbst fest. Das geschieht allerdings nicht willkürlich, denn an jedem Standort wird ein Komitee gewählt, welches jedem Mitarbeiter zu seinem Gehaltsvorschlag Feedback gibt - das Komitee kann vorschlagen, dass man sich mehr Gehalt geben solle oder auch dass die Vorstellungen vielleicht doch zu hoch angesetzt seien. Wie sich die Mitarbeiter am Ende entscheiden ist ihnen überlassen. Die Entscheidungen aber werden im ganzen Unternehmen publik gemacht. Wer sich also für eine starke Erhöhung entscheidet, sollte dann auch zeigen, dass er es verdient hat.
Solche Formen des konsultativen Entscheidens lassen sich in einigen weiteren Unternehmen finden. Bei Elbdudler, einer Hamburger Agentur, Haufe Umantis, einem Softwarekonzern und Verlag, oder bei Oose einem IT-Dienstleister. Neben der beratenden Funktion der Kollegen, spielt die Transparenz, die in diesem Bereich geschaffen wird eine große Rolle. Die Gehaltsfrage wird in diesen Organisationen offen angesprochen und jeder kann von jedem wissen, wie viel er verdient - und viel wichtiger, jeder weiß, was die anderen von ihm erwarten können. Diese Form der Gehaltsbestimmung führt nicht nur zu einer höheren Identifikation mit der Organisation, sondern auch zu einer Auseinandersetzung mit der Entwicklung des Unternehmens (z.B. bei Elbdudler)
Noch einen Schritt weiter ist das Software-Unternehmen Valve aus den USA gegangen (Valve Handbook). Dort wird die Kompensation über eine bestimmte Variante des Stack-Ranking gelöst. Alle Mitarbeiter evaluieren sämtliche Kollegen mit denen sie im vergangenen Jahr zusammengearbeitet haben auf vier gleichwertigen Parametern: Skill Level/Technical Ability, Productivity/Output, Group Contribution, und Product Contribution. Die Werte werden für jeden Mitarbeiter zusammengetragen. Daraus ergibt sich das Gehalt. Tatsächlich sprechen die Valve Mitarbeiter hier von Wert (Value), den ein Kollege beigetragen hat.
Dieser offene Umgang mit dem Gehalt kann auch - gerade wenn man aus einer Konzernstruktur kommt - befremdlich sein. Vielleicht möchte man ja auch gar nicht, dass die Kollegen wissen, wie viel man verdient? Schwierig scheint gerade der Weg vom Festgehalt zu diesen neuen Formen von Gehaltsfindung. Zappos, ein großer amerikanischer Schuhretailer, schafft gerade suksessive seine Hierarchie ab. Ohne Jobtitel und klare Hierarchie steht auch dort die Frage, wie denn dann über das Gehalt entschieden werden soll, im Raum - das löst bei einigen Mitarbeitern Unsicherheit aus (comment on quartz.com).
Diese Übergänge von Bezahlung nach Arbeitsstunden zur Bezahlung nach Leistung stellen nicht nur ein Tool dar, um die Motivation oder Verantwortungsbereitschaft von Mitarbeitern zu erhöhen, sondern lassen sich auch als ein Symptom eines Wandels hin zu einem neuen Typ von Organisation verstehen. Organisationen, die Mitarbeiter ernst nehmen und ihnen zutrauen zu wissen, was sie brauchen und was ihre Organisation braucht. Organisationen, die ihren Mitarbeitern vertrauen und die um das Potenzial ihrer Mitarbeiter wissen.