Liest man Walter Looss „Unter vier Augen“ (erste Auflage 1991), fühlt man sich in eine andere Zeit versetzt: Looss, einer der Pioniere des Coachings, beschreibt dort, wie er seine Klienten teilweise heimlich treffen musste, weil Coaching damals derart stigmatisiert war und geradezu mit Therapie gleichgesetzt wurde.
Seitdem hat sich viel getan. War Coaching früher häufig ein Mittel um „Toxic Leaders“ zu entschärfen, geht es heute vor allem Potenzialentfaltung (HBR 2009 Study). Die Branche hat sich differenziert und professionalisiert - ihr Angebot ist heute eine weitgehend etabliertes Tool der Personalentwicklung.
Der Trend weitet sich nun weiter aus: Immer häufiger wird von Führungskräften erwartet, dass sie selbst Coaches für ihre Mitarbeitenden sind. Es gilt Mitarbeitenden ihre Potenziale aufzuzeigen und sie in ihren Lernprozessen zu begleiten (Von der Heydt 2013). Diese Entwicklung kann auch als Teil eines generellen Trends zur „human side of work“ gelesen werden: Arbeit ist nicht nur etwas abzuarbeitendes, sondern erlaubt einen persönlichen Entwicklungsprozess (das Ende der Entfremdung?).
Coachen Führungskräfte ihre Mitarbeiter, so kommen aber auch – so stellte es schon Looss 1991 fest – zwei potenziell konfligierende Sphären zueinander: Der Arbeitsalltag in manchen Organisationen mag es verdecken, aber zwischen Führungskraft und Mitarbeitendem besteht immer auch ein asymmetrisches Verhältnis. Für eine effektive Coaching-Beziehung braucht es aber das Gespräch auf Augenhöhe, die Symmetrie und die Offenheit alles ansprechen zu können, um an persönlichen Herausforderungen im Arbeitskontext arbeiten zu können. Eine Spannung, die es immer wieder neu zu bearbeiten gilt.
Nichts desto trotz beschreibt Leadership als Coaching eine Haltung gegenüber Mitarbeitenden, die Wertschätzung ausdrückt und in vielen Fällen Mitarbeitenden Möglichkeiten zur Entfaltung bietet. Diese Entwicklung zeigt auch auf, dass Führungskräfte neben ihren fachlichen Fähigkeiten in noch größerem Maße in ihren sozialen Fähigkeiten gefordert sind. Führungskräfte die wertvolle Begleiter ihrer Mitarbeitenden sein wollen nehmen eine große Herausforderung an, von der beide Seiten aber sehr profitieren können.